Wie Dein Quereinstieg ins Produktmanagement gelingt

🤸♀️ Vom Physiotherapeuten zum Produkt-Chef: Deine überraschenden Superkräfte als Quereinsteiger
Gehörst du auch zu denjenigen, die glauben, der Weg ins Produktmanagement sei nur mit einem Abschluss in IT, Engineering oder BWL gepflastert? Diese Annahme ist weit verbreitet, doch sie übersieht eine entscheidende Wahrheit: Die geradlinigsten Lebensläufe sind nicht immer die wertvollsten. In der dynamischen Welt der Produktentwicklung sind es oft die unerwarteten Wendungen und die vielfältigen Erfahrungen, die den Unterschied zwischen einem guten und einem außergewöhnlichen Produktmanager ausmachen.
Dieser Artikel beleuchtet die zentralen Erkenntnisse von erfolgreichen Quereinsteigern, die ihren Weg aus so unterschiedlichen Feldern wie der Physiotherapie und dem Handwerk ins Herz der Produktentwicklung gefunden haben. Der Artikel basiert auf der Auswertung von mehreren Produktmanagement Talks, die ich in mit Produktmenschen wie Norbert Jehle , Maike Stiska , Philipp Schmid und Rea Leu gemacht habe. Dazu kommen Impulse aus einem PM-Talk mit der bekannten Trainerin und Mentorin Bernadette von Wittern. Wir werden die überraschendsten und wirkungsvollsten Lektionen aufdecken, die sie auf ihrem Weg ins PM gelernt haben – Lektionen, die in keinem Lehrbuch stehen, aber für deinen Erfolg in dieser Rolle entscheidend sind.
Lektion 1: Dein Hintergrund ist deine Superkraft, nicht deine Schwäche
Es mag kontraintuitiv klingen, aber ein nicht-technischer oder nicht-betriebswirtschaftlicher Hintergrund kann dein größtes Kapital sein. Quereinsteiger wie die ehemaligen Physiotherapeutinnen Rea und Maike oder der gelernte Schreiner Norbert bringen etwas mit, das man kaum lernen kann: ein tiefes, authentisches Verständnis für die Welt des Endnutzers. Norbert Jehle, der selbst aus dem Handwerk kommt, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, er kenne die Probleme seiner Kunden, weil er selbst einer war. Rea Leu konnte aus ihrer früheren Rolle in der Customer Experience den gesamten „Customer Journey“ nachvollziehen. Diese gelebte Erfahrung schafft eine Empathie, die über das reine Erfassen von Pain Points hinausgeht. Denn herausragende Produktmanager beschäftigen sich sehr tiefgehend mit den Problemen ihrer Kunden und ermitteln, wo für ihre User und Kunden der größte Mehrwert liegt. Value matters.
Rea Leu war Director Product Management in der Medizintechnik, als wir gesprochen haben. Sie fasst diesen Vorteil prägnant zusammen:
…mein Vorteil, dass ich eben nicht den technischen Background klassisch mitgebracht habe, sondern wirklich verstanden habe, wo die Painpoints sind…
Dieses Einfühlungsvermögen ist oft wertvoller als reines technisches Wissen. Es führt zu Produkten, die nicht nur technologisch brillant sind, sondern echte Probleme lösen und von den Menschen, für die sie gemacht sind, angenommen werden.
Lektion 2: Es geht nicht darum, alle Antworten zu haben, sondern die richtigen Fragen zu stellen
Die Vorstellung, ein Produktmanager müsse die klügste Person im Raum sein, ist ein gefährlicher Irrglaube. Erfolgreiche Produktmanager, so erklärt es Rea, setzen „Neugier über Ego“. Deine Kernkompetenz besteht nicht darin, fertige Lösungen zu präsentieren, sondern mutig und unermüdlich die richtigen Fragen zu stellen, um zum Kern eines Problems vorzudringen.
Doch Neugier bedeutet mehr als nur zu fragen. Es ist die Erfahrung, zu erkennen, dass verschiedene Teams unterschiedliche „Sprachen“ sprechen. Maike, die als Physiotherapeutin in die Product Owner-Rolle wechselte, beschreibt ihre Lernkurve so, dass sie lernen musste, „von meiner Sprache etwas abstrakter werden zu können“, um ihr praktisches Wissen für Entwickler verständlich zu machen. Dieser Mentalitätswechsel ist fundamental. Er verwandelt deine Rolle von einer autoritären Position in eine ermöglichende und übersetzende Funktion, die das kollektive Wissen des gesamten Teams nutzt. Dasselbe gilt auch bei der Übersetzung von der Richtung Technik in Richtung Markt. Es gilt, die USP’s und Vorteile der Features durch gutes Storytelling in Richtung Marketing und Vertrieb zu übersetzen. Stichwort: Sales Enablement. Denn im Produktmanagement ist man immer auch ein bisschen „der erste Verkäufer“ seines Produkts.
Lektion 3: Einfluss schlägt Autorität: Der Schlüssel liegt im Netzwerken
Produktmanager tragen oft eine immense Verantwortung, ohne jedoch die formale Weisungsbefugnis über die Teams zu haben, mit denen sie arbeiten. Dein Erfolg hängt nicht von hierarchischer Macht ab, sondern von deiner Fähigkeit, zu überzeugen, zu inspirieren und starke Beziehungen aufzubauen.
Philip Schmid entdeckte diese Wahrheit nicht in einem Meetingraum, sondern direkt in der Fertigungshalle. Als er aus der Prozessentwicklung ins Produktmanagement wechselte, bestand er darauf, zwei Wochen lang in der Produktion mitzuarbeiten. Die Kollegen dort wussten anfangs nicht einmal, was seine Rolle war, und fragten, ob er als Mechaniker oder Elektriker eingestellt worden sei. Durch diese „Hands-on“-Mentalität lernte er nicht nur das Produkt kennen, sondern gewann vor allem das Vertrauen des Teams. Seine Erkenntnis ist ein zentraler Ratschlag für dich:
…als Produktmanager ist das Netzwerk in der Firma und das Vertrauen der Mitarbeiter gefühlt das Wichtigste für eine Karriere …
Netzwerken ist dabei mehr als nur kollegial zu sein; es ist ein strategisches Werkzeug. Rea Leu nutzt es, um kulturelle Unterschiede zu überbrücken – etwa zwischen dem R&D-Team in Israel und den Stakeholdern in den USA. Deine Rolle als „Brückenbauer“ agiert direkt im „Spannungsfeld zwischen Markt, Technologie und den Kundenbedürfnissen“ und sorgt dafür, dass alle an einem Strang ziehen.
Lektion 4: Geschäftssinn ist erlernbar – und unverzichtbar
Während die Nutzerperspektive für viele Quereinsteiger die Eintrittskarte ist, muss das kaufmännische Verständnis aktiv erlernt werden. Produktmanagement-Trainerin Bernadette von wittern ordnet die Disziplin klar der Betriebswirtschaftslehre (BWL) zu – ein fundamentaler Perspektivwechsel für viele, die aus praktischen Berufen kommen.
Es reicht nicht, ein Produkt zu entwickeln, das die Nutzer lieben. Es muss auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Rea Leu erkannte diese Lücke und absolvierte einen MBA, um das „full picture“ zu bekommen. Konkret ging es ihr darum, die gesamte „Wertschöpfung“ und das „Supply Chain Management“ zu verstehen. Dieser Schritt ermöglichte es ihr, Entscheidungen nicht nur nutzer-, sondern auch unternehmensorientiert zu treffen. Die Lektion ist klar: Leidenschaft für den Nutzer schafft ein gutes Produkt, aber erst der Geschäftssinn schafft ein nachhaltig erfolgreiches Produkt. Es muss auch nicht immer gleich ein kompletter MBA sein. Viele erfolgreiche Produktmanager aus meinem Netzwerk haben über die IHK kaufmännische Skills erworben, Online-Zertifikatskurse bei Coursera oder Udemy durchlaufen oder auch Produktmanagement-Zertifizierungen erworben. Product School, Bernadette’s PRODUCT LOUNGE , MSC Management Seminar Center GmbH, Digitale Leute oder ProduktManageMentor bieten hier hervorragende Kurse und Trainings an.
Lektion 5: Vergiss den „CEO des Produkts“ – Denk lieber als „Chef-Diplomat“
Die populäre Metapher des Produktmanagers als „CEO des Produkts“ ist verlockend, doch die befragten Experten halten sie für irreführend. Sie suggeriert eine alleinige Entscheidungsgewalt, die in der Realität nicht existiert.
Rea Leu stellt klar, dass die ultimative Entscheidungsgewalt an anderer Stelle liegt:
…ich denke, der Produktmanager wird das ultimativ nie sein. Es wird immer einen CEO der Firma geben, der eben CEO ist und das entscheidet…
Allerdings hat die Metapher auch einen wahren Kern. Wie Interviewer Jürgen Bühler anmerkt, beschreibt der Begriff zwar nicht die Autorität, aber sehr treffend die 360-Grad-Verantwortung, die du als Produktmanager tragen musst. Eine passendere Beschreibung deiner täglichen Rolle ist jedoch die des Chef-Koordinators oder Diplomaten. Du bist die zentrale Schaltstelle, die die oft widersprüchlichen Bedürfnisse von Kunden, Business und Technologie in Einklang bringt und einen Konsens schafft – eine Aufgabe, die mehr Diplomatie als Dekret erfordert.
Fazit: Der rote Faden ist die Haltung, nicht der Lebenslauf
Der Weg ins Produktmanagement ist so vielfältig wie die Produkte selbst. Die Geschichten erfolgreicher Quereinsteiger zeigen deutlich: Erfolg hängt weniger von einem bestimmten Abschluss ab, sondern von einer bestimmten Haltung. Es ist die Kombination aus tiefer Empathie, unstillbarer Neugier, diplomatischer Kommunikationsstärke und unternehmerischem Denken, die den roten Faden bildet. Diese Haltung ist es, die deinen unkonventionellen Werdegang von einer vermeintlichen Schwäche in ein Fundament voller einzigartiger Erfahrungen verwandelt.
Welche verborgene „Superkraft“ aus deinem eigenen Werdegang könntest du in eine neue Rolle einbringen?
Schreibe einen Kommentar uns lass uns diskutieren.
