Personalberater können mehr als Recruiter

Recruiter machen Recruiting. Ein guter Personalberater kann einiges mehr. Das ist mir erst diese Woche wieder in einem Gespräch mit langjährigen Klienten wie Schuppen von den Augen gefallen. Michael G. hat sich überschwänglich bei mir bedankt, dass wir trotz der Vermittlung vor gut 3 Jahren immer noch den Kontakt halten und ich mich für sein Fortkommen im Beruf interessiere.

Schaut man in der jährlich erscheinenden BDU Personalberaterstudie, in welchen Bereichen Personalberater den Großteil ihres Umsatzes machen, dann ist mit Abstand der Bereich Stellenbesetzung / Personalvermittlung die Cash Cow der Berater. Organisationsberatung, Outplacement, Führungskräfteassessements und Interim Mandate folgen im Umsatzranking mit großem Abstand. Die nach angelsächsischem Modell arbeitenden Recruiting-Agencies machen meist nichts anderes außer Recruiting, Sourcing und Vermittlung. Um das klarzustellen: Das sind in meinen Augen auch keine Personalberater. Hier steht der Quick-win und das nächste Placement – also Verkauf im Vordergrund.

Auch ich verdiene den Großteil meines Einkommens aus Suchmandaten und Erfolgshonoraren. Trotzdem glaube ich fest, dass ein guter Personalberater mehr ist, als ein Recruiter und genau das macht für mich den Reiz meines Berufs aus.

Klienten wissen es zu schätzen, wenn ihr Berater für Sie den Markt im Auge behält und sie auch über für Ihre Karriere relevante Trends, Weiterbildungsangebote, fachliche Netzwerkveranstaltungen und Buchempfehlungen auf dem Laufenden hält. Denn ein guter Personalberater sollte seine Firmenkunden UND Klienten pflegen. Insbesondere auch diejenigen, bei denen es im ersten Kontaktversuch mit einer Vermittlung nicht geklappt hat, denn der Aufbau von Vertrauen ist ein Langstreckenlauf.

Eine Mini-Umfrage im vergangenen Jahr bei meinen Klienten hat folgende Mehrwert-Angebote ergeben, die für Professionals interessant sind:

  1. Ein Personalberater sollte Netzwerke für seine Klienten anbieten und auf diese Weise auch interessante fachliche Kontakte vermitteln können.
  2. Der Personalberater soll Firmen analysieren, also im Rahmen einer „Due Dilligence“ die Geschäftsmodelle, Wachstumsperspektiven und Zahlen analysieren.
  3. In diesem Sinne wünschen sich Klienten einen Berater, der Ihnen die positiven Seiten des neuen Arbeitgebers verkauft und ihnen Sicherheit verschafft.
  4. Klienten wünschen sich auch Coaching zu berufsrelevanten Themen.
  5. Das geht von Empfehlungen für den nächsten Karriereschritt z.B. neu entstehende Berufsbilder und Technologiefelder
  6. bis zu Weiterbildungsempfehlungen für berufsrelevante Themen z.B. Rhetorik, Pitchen, Verhandlungstechnik, Führung.
  7. Viele Klienten schätzen die Begleitung beim Onboarding als Sparringspartner und bei Fragen in den ersten Monaten in der neuen Anstellung.
  8. Ferner sollte ein guter Personalberater bei der Gehaltsverhandlung unterstützen.

Bei den meisten der oben genannten Punkten ist offensichtlich, dass nur ein neutraler Dritter diese Hilfestellung leisten kann. Kein Unternehmen wird auf sein wackeliges Geschäftsmodell bzw. die große Personalfluktuation verweisen oder einen neuen Mitarbeiter in seinem Sinne bei der Gehaltsverhandlung beraten. Ebenso möchten Unternehmen ihre Stellen besetzen und sind wenig daran interessiert, ihre eingearbeiteten Fachkräfte aus den Aufgaben herauszureißen – schon gar nicht für einen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber. Und die Weiterbildungsempfehlungen orientieren sich am Bedarf des Arbeitgebers und der eigenen Stellenplanung.

Für eine neutrale, objektive Beratung setzen eigenständige Professionals besser auf einen Berater und nicht auf Recruiter, Personalreferenten oder Personalentwickler.

In seiner vielseitigen Aufgabe unterscheidet sich der Personalberater also stark vom Inhouse-Recruiter. Zum einen betreiben die wenigsten Inhouse-Recruiter wirklich über Jahre Netzwerkpflege und kümmern sich lieber um die direkten Bewerber. Zum anderen geben die Recruiter die neuen Mitarbeiter unmittelbar nach dem Onboarding in die Betreuung an die HR-Business Partner weiter. Und was deren Betreuung für den Mitarbeiter taugt, das ist wieder eine andere Geschichte. 

Einen erfahrenen Berater für die eigene berufliche Laufbahnplanung zu finden ist nicht einfach. Portale wie Bestcruiter oder XING-Coaches können eine erste Anlaufstelle sein. Arbeitnehmer sollten auf eine aussagekräftige Zahl von Bewertungen achten und sich die Portraits der Berater auf LinkedIN und XING näher ansehen. Personalberater ist kein geschützter Berufstitel und es gibt zahlreiche „Eintagsfliegen“, die sich mal für einige Monate in dem Beruf ausprobieren. Berufserfahrung schadet nicht, ebenso eine Spezialisierung in einer beruflichen Nische. Vorsicht bei Senior Consultants, die erst vor 3 Jahren ihr Abitur gemacht haben – das sind vielleicht gute Recruiter, aber keine Personalberater. Und am Ende sollte die Chemie stimmen, denn Personal- und Karriereberatung ist ein People Business. Eine gewisse Sympathie hilft ungemein.

Ich bin gespannt, welche Meinungen mein Netzwerk zu meinem Artikel hat. Welchen Mehrwert können #Personalberater noch für ihre Klienten schaffen? Und was sagt die Zunft der #InhouseRecruiter zu meiner Meinung?

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