Wahrscheinlich liegt es am Alter…!?

Ich habe keine Datenbankabfrage, keine statistische Erhebung gemacht. Diese Behauptung basiert ausschließlich auf meiner Wahrnehmung, aus vielen Gesprächen, aus langwierigen Jobsuchen: Ab einem bestimmten Alter schiebt man Absagen vor allem auf genau dieses. Aber warum? Wir wissen doch, 40 ist das neue 30, und 70 das neue… . Da wird es doch mit Mitte 50 kein Problem sein, einen neuen Job zu finden, oder?!

Kaum passende Stellen, wenige Einladungen, viele Absagen

Ein Punkt vorab: Ich weiß, (altersbedingte) Diskriminierung ist verboten. Es passiert dennoch – selten nachweisbar, offiziell versteckt hinter anderen, politisch korrekteren Gründen. 
Das Gefühl, in den besten Jahren und noch ein halbes Berufsleben vom Renteneintrittsalter entfernt, plötzlich nur Absagen zu kassieren, setzt unter immensen Druck. Schließlich haben die Wenigsten alles in trockenen Tüchern. Und häufig ist man aus der Übung, was das Sich-Bewerben betrifft – verlief die bisherige Laufbahn doch wie im Bilderbuch.
Recherchiert man geeignete Stellen, ist die Auswahl spärlich. Spätestens nach den ersten erfolglosen Bewerbungen wird im Internet nach Antworten gesucht:
Jobsuche 50+. Die schnellen Treffer der Suchmaschine, flüchtig überflogen, lehren einen das Fürchten.

„Alter Manager sucht Job“ überschreibt z.B. der Spiegel da einen Artikel aus dem Jahr 2015 und beschreibt die zermürbende Jobsuche eines gerade mal 50jährigen. Alter Manager? Mit 50?

Die Zahlen sagen: Es geht!

Wenn man mehr Zeit in die Internet-Suche investiert, fallen einem aber auch viele positive Berichte auf, z.B. davon, dass erfahrene Arbeitnehmer zunehmend gefragt sind, schon allein wegen des Fachkräftemangels. Es gibt Studien, die belegen, dass die Situation sich bereits gewandelt hat für die „Älteren“. Im Jahr 2005 waren gerade einmal 36,6 Prozent der 60- bis 63-Jährigen erwerbstätig. Nur 9 Jahre später, 2014, sind es schon 63 Prozent. Und im Januar 2017 liegt die Erwerbsquote der 55- bis 59-Jährigen sogar knapp über dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen. Immer wieder erleben wir Firmen, die versuchen, ihre Fachkräfte über das Renteneintrittsalter zu halten – mangels eines passenden Nachfolgers.
Warum haben dennoch so viele berufserfahrene Kandidaten den Eindruck, dass es viel mehr Absagen hagelt als früher? Wieso ist die Auswahl an passenden Stellen auf einmal so knapp?

Sie sind nicht mehr der Selbe!

Erinnern Sie sich noch an Ihren Berufseinstieg? Die Welt stand Ihnen offen – Branche, Unternehmensgröße, inhaltlicher Schwerpunkt – zumindest theoretisch passten Sie zu den unterschiedlichsten Arbeitgebern.

Und heute? Sie haben sich bereits für eine Industrie und eine Laufbahn entschieden. Nach einigen Jahren in einem bestimmten Branchenumfeld bringen Sie den berühmten Stallgeruch mit. Auch in Bezug auf das Aufgabengebiet haben Sie sich festgelegt. Wenn Sie in den letzten Jahren im Produktmanagement oder in der Leitung von Softwareentwicklungsprojekten tätig waren, sind Sie spezialisiert. Und regional? Früher war ein Umzug leicht vorstellbar. Jetzt würde ein Umzug von Ihnen auch Veränderungen für Ihre Familie mit sich bringen. Das ist umständlich.

Man kann es auch so sehen…

Sie sind nicht mehr der Selbe – zum Glück! Wer Sie einstellt, sucht Know-how, Erfahrung, ein gewisses Netzwerk! Vielleicht auch Stabilität. Dafür zahlt der Arbeitgeber Ihnen auch ein höheres Gehalt als dem Berufseinsteiger. Ihr Job bringt Verantwortung mit sich, sie führen andere, fachlich oder disziplinarisch.
Denken Sie nur an die Organigramme Ihrer letzten Arbeitgeber – gab es da nicht auch schon immer mehr Rookies als Spezialisten? Mehr Indianer als Häuptlinge? Je mehr Erfahrung und Verantwortung Sie inzwischen haben, desto weniger Jobs gibt es auf dem Arbeitsmarkt. Das hängt irgendwie natürlich auch mit Ihrem Alter zusammen. Aber wenn es nicht gleich klappt, muss es wirklich nichts mit dem Geburtsjahr an sich zu tun haben.

Investieren Sie Ihre Zeit und Ihr Bewerbungs-Engagement richtig

Suchen Sie sich Jobs, die wirklich zu Ihrem Erfahrungshintergrund und Ihren bisherigen Karrierestufen passen. Verzichten Sie darauf, sich als Junior Controller zu bewerben, wenn Sie bisher kaufmännischer Leiter waren. Ersparen Sie sich Bewerbungen, die von vornherein eine Absage provozieren. Wenn Firmen mit ihrem „jungen, agilen Team, Kicker-Tischen und Afterwork-Grillen auf der Dachterrasse“ werben, und das für Sie einfach nicht richtig klingt, dann lassen Sie denen ihren Spaß und orientieren Sie sich anderweitig.
Schicken Sie weniger Bewerbungen als früher und investieren Sie mehr Zeit in die Suche nach passenden Stellen als in offenkundig unpassende Bewerbungen.

Nutzen Sie Ihre Markt- und Branchenerfahrung. Als Hochschulabsolvent kannten Sie vermutlich nur die großen Firmen von den Kontaktmessen. Jetzt wissen Sie, wer sich in Ihrer Branche tummelt. Wenn Sie gut vernetzt sind, haben Sie ein Gefühl, welche Arbeitgeber an Leuten wie Ihnen normalerweise interessiert sind. Sie haben mit vielen Firmen mehr oder weniger direkt zusammengearbeitet und sich Kontakte aufgebaut. Dann warten Sie nicht lange auf das richtige Stellenangebot auf der Homepage oder schlimmer – in der Stellenbörse. Nein, packen Sie den Stier bei den Hörnern und bieten Sie Ihr Know-how direkt an. Je nach angestrebter Rolle sprechen Sie dann die Firmenleitung oder den zuständigen Bereichsleiter an. Dafür müssen Sie zwar in Business-Netzwerken wie XING oder auf Messe-Internetseiten und im Internet recherchieren, die Zeit ist aber besser investiert als für Bewerbungen auf Stellen, bei denen Sie im Wettbewerb mit billigeren Kandidaten sehen.

Und noch ein Tip: Nutzen Sie sofort die verfügbare Zeit effektiv für Ihre Bewerbungen. Als erfahrene Fach- oder Führungskraft gewährt Ihnen Ihr Arbeitgeber häufig eine Abfindung oder stellt Sie die letzten Beschäftigungsmonate bei vollen Bezügen frei. Natürlich ist es verlockend, die Dauer der Freistellung für Urlaub, Hausrenovierung, neues Gartendesign oder einfach zum Bummeln zu nutzen. Wenn dann jedoch einmal das geringere Arbeitslosengeld fließt, spüren Sie schnell, dass die Uhr tickt. 12 Monate können bei der Suche nach einer gehobenen Position rasch verstrichen sein. Und das erzeugt richtig Stress – Stress, bei dem jede Absage eine noch bitterere Pille ist.

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