Professional im Job – Amateur im Bewerben?

Bewerben ist doch kinderleicht. Gerade für einen erfahrenen, erfolgreichen Professional ist die Bewerbung doch ein Klacks. Oder etwa doch nicht?

Ich halte seit Jahren Vorträge und Webinare zum Thema Selbstmarketing im Bewerbungsprozess. Der Vortrag ist fast schon ein „Klassiker“ und das Vortragsskript hat sich in den Kernaussagen in den letzten 9 Jahren kaum geändert. Da stelle ich mir schon hin und wieder die Frage, ob das überhaupt noch jemand hören möchte. Dann spüre ich als Karriereberater in meiner Arbeit aber doch wieder, dass Selbstmarketing im Bewerbungsprozess nach wie vor brandaktuell ist. Sich selbst zu vermarkten, das fällt vielenBewerbern schwer; und das gilt nicht nur für Berufsanfänger.

Selbstmarketing – was ist das?

Marketing bedeutet in einfachen Worten gesprochen, dass wir die Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung kundenorientiert an den Verbraucher kommunizieren. Auf den Bewerbungsprozess übertragen bedeutet Marketing nichts anderes, als einem Arbeitgeber klarzumachen, warum ich der oder die Richtige für den Job bin. Der Arbeitgeber wird das am besten verstehen, wenn ich mich auf ihn einstelle und seine Bedürfnisse klar adressieren kann. Sucht der Arbeitgeber einen Software-Entwickler für CRM-Lösungen, erläutere ich dem Gesprächspartner als Bewerber, wo ich in den vergangenen Jahren das Programmieren gelernt habe und welche Erfahrungen ich mit CRM bereits gesammelt habe. Klingt einfach? Ist es aber nicht, wie das Beispiel unten zeigen wird.

Bewerbungsgespräch (Quelle: Kenakale-Schreiner (GFFB)
Bewerbungsgespräch (Quelle: Kenakale-Schreiner (GFFB)

Ein Kandidat von uns, ein erfahrener Teamleiter suchte eine neue Stelle als Führungskraft. Wir haben gut passende Stellen gefunden und er hat dann auch einige Vorstellungstermine bekommen. Die waren leider nicht erfolgreich und wir haben uns verabredet, um nach den Gründen zu forschen. Er sagte mir dann, dass in den letzten Gesprächen das Thema Führungsstärke gar nicht so richtig erörtert worden sei. Er sei darüber selbst überrascht und fragte sich, wie es dazu kommen konnte.

Wir haben dann zusammen ein Vorstellungsgespräch simuliert. Ich spielte den Arbeitgeber und er sollte sich kurz bei mir vorzustellen. Ich fragte ihn, warum er der richtige Teamleiter für mein Entwickler-Team sei. Jetzt passierte etwas Interessantes: Der Kandidat erzählte mir seinen Werdegang beginnend kurz vor Studienende. Er berichtete von seiner Diplomarbeit, seinem Einstieg als Entwickler und allerhand spannenden Projekten, die er in den vergangenen Jahren erfolgreich absolviert hatte. Der Vortrag war gespickt mit technischen Details und Beispielen. Nach gut 15 Minuten – ich hatte freundlich und konzentriert zugehört – kam er dann auf seine aktuelle Position als Teamleiter zu sprechen.

Geiz ist geil. Warum sollte sich die Selbstpräsentation aufs Wesentliche beschränken?

Was war passiert? Aus der kurzen Selbstpräsentation wurde eine detailreiche Beschreibung des Werdegangs mit vielen detaillierten Fakten. Auf meine Frage, ob die Arbeitgeber in seinen Vorstellungsgesprächen auch so ruhig zugehört hätten wie ich, lachte der Kandidat und meinte „Nein, die hatten viele Fragen zu den einzelnen Projekten und Technologien.“ Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass aus den 15 Minuten Selbstpräsentation so schnell eine dreiviertel Stunde Fachgespräch über Frameworks, Technologien, Programmiermethoden und Businesslogik wurde. Nimmt man die vorweg gegangene Begrüßungsphase und die Vorstellung der Firma dazu, ist die Zeit für ein normales Vorstellungsgespräch von 60-90 Minuten schon fast verbraucht. Und genauso ist es dann dem Kandidaten auch in seinem Gespräch ergangen.

Das Dramatische daran: Ich wollte von ihm wissen, warum er der passende Teamleiter ist. Zu seiner Eignung als Teamleiter für die offene Stelle konnte mir der Kandidat aber gar nichts sagen, oder zumindest viel zu spät. Sein Vorstellungsgespräch war fast um und die wichtigste Frage wurde gar nicht richtig besprochen. Wäre das Vorstellungsgespräch ein Schulaufsatz, wäre die Bewertung vermutlich „Thema verfehlt – durchgefallen“. Und genau das ist dem Kandidaten letztendlich in seinen Gesprächen ja auch passiert. Denn am Ende des Gesprächs blieb bei allen Beteiligten ein diffuses Gefühl zurück, dass etwas nicht so richtig gepasst hatte.

3 Tipps für ein effektives Selbstmarketing.

Jeder Bewerber sollte sich vor dem Gespräch fragen, welche Eigenschaften und Erfahrungen für die gesuchte Stelle besonders bedeutsam sind. Beim obigen Beispiel des Teamleiters sind es wahrscheinlich die Führungskenntnisse, Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Teamsituationen und bockigen Mitarbeitern. Oder seine Erfahrung in der Führung interdisziplinärer Expertenteams, im Kommunizieren und so weiter. Bittet nun der Arbeitgeber um eine kurze Selbstdarstellung, stelle ich als Kandidat genau diese Punkte in den Vordergrund – ich präsentiere also meine stärksten Vorteile und stelle diese in den Kontext der neuen Arbeitsstelle. Und vor allen Dingen halte ich mein Pulver trocken und biete nicht zu viele Details an. Diese kann ich im Laufe des Gesprächs auf Nachfrage gezielt platzieren. Im Idealfall bleibt beim Arbeitgeber nach der Selbstpräsentation dann hängen: „Wow, das ist mal ein erfahrener Teamleiter, dem so leicht niemand was vormacht. Und technologisch hat er auch einiges auf dem Kasten. Der kann mit seinem Team fachlich mithalten.“

Wie gehe ich aber vor, wenn der Arbeitgeber mich bittet, meinen Werdegang darzustellen und zu begründen, warum bestimmte Weichen gestellt worden sind? Wenn ich also meinen Werdegang chronologisch vortragen muss? Unsere Empfehlung für berufserfahrene Professionals sieht so aus: Direkt beim höchsten Ausbildungsabschluss starten und die ersten beruflichen Stationen möglichst knapp abhandeln. In der Selbstpräsentation zunächst wenig fachliche Details anbieten und sich nicht in fachliche Diskussionen verstricken lassen. Den roten Faden schnell zur letzten Position mit dem höchsten Stellenwert für die zu vergebende Stelle zu spinnen. Und am Ende die Selbstpräsentation mit einer selbstbewussten Antwort abschließen: „Sie sehen also, ich bin der passende Teamleiter für Ihr Team, weil ich eine ähnliche Position bereits seit drei Jahren erfolgreich ausübe. Ich bin es gewohnt, mit erfahrenen IT-Consultants und Entwicklern im Team zu arbeiten und diese situativ zu führen.“

selbstpraesentation
Selbstdarstellung: Warum sind Sie der Richtige für den Job?

Hier noch einmal die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  1. Fokussieren Sie Ihre Selbstpräsentation auf die Erfahrungen und Eigenschaften, die für die zu vergebende Position am wichtigsten sind. Zum Beispiel: „Ich traue mir das zu, weil ich eine ähnliche Position seit 3 Jahren erfolgreich ausübe.“
  2. Präsentieren Sie die wichtigsten Eigenschaften und persönlichen Stärken durch anschauliche, konkrete Beispiele. Beispiel: „So richtig an meine Führungsgrenzen bin ich gekommen, als ich vor einem Jahr …“
  3. Präsentieren Sie Ihre fachlichen Kenntnisse vom Allgemeinen zum Speziellen. Details bieten Sie möglichst nur auf Nachfrage an, denn Sie wissen niemals genau, worauf Ihr Gesprächspartner im Detail wert legt. Beispiel: „Unsere Weblösung wurde in JAVA entwickelt und setzt auf die namhaften Datenbanken auf.“

Wenn Ansprechpartner aus der Personalabteilung mit im Termin sitzen, dürfen Sie als Kandidat gerne auch mal einen Fachbegriff in einfachen Worten beschreiben. Das zeigt, dass Sie in der Lage sind, mit Personen auf allen Ebenen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Auch das ist eine wichtige Eigenschaft für eine Führungskraft.

Natürlich gehören zum Selbstmarketing noch weitere Dinge. Wer sich die oben geschriebenen Punkte vor einem Vorstellungsgespräch überlegt, dem ist aber eine starke erste Selbstpräsentation sicher.

„You can never change a first impression!“

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