Kündigung .. und plötzlich ist alles möglich ?

Warum das Kündigungsgespräch der falsche Zeitpunkt für eine Gehaltserhöhung ist

Die Vorgeschichte

Carolin und ich stehen schon länger in Kontakt. Irgendwann, vor ca. 8 Monaten, kamen wir ins Gespräch. Sie wollte etwas verändern. Unbedingt. So ginge es nicht mehr weiter. Sie war richtig sauer.

Nein .. bitte gehen Sie nicht!
Nein .. bitte gehen Sie nicht!

10 Jahre war sie bei ihrer bisherigen Firma, einem kleinen IT-Beratungshaus. Den Bereich CRM-Consulting hatte sie quasi mit aufgebaut. Weil sie von Beginn an dabei  war, erhielt sie kontinuierlich wachsende Verantwortung – für Projekte, für das Einstellen, Einarbeiten und Führen neuer Mitarbeiter, für organisatorische Fragen. Sie war richtig gut in ihrem Job. Ihre Kunden waren immer sehr zufrieden, ihr Team schätzte sie als Führungskraft. Nötiges Wissen eignete sie sich in Eigenregie an. Mehr Verantwortung, mindestens 10 Stunden täglich, kein Ausgleich. Mickrige Gehaltserhöhungen nur auf Nachfrage, eine Vergütung, die locker 10-15.000 Euro zu niedrig ist. Urlaubsansprüche, die verfielen. Und wenn sie einmal verreiste oder krank war, wurde ständige Erreichbarkeit erwartet. Weder Zeit noch Budget für Weiterbildung.

Die Mitarbeitergespräche verliefen, wenn sie denn stattfanden, immer nach dem gleichen Muster: Der Chef gab gutes Feedback und forderte: Höhere Ziele, zusätzliche Projekte. Und er vertröstete: Nennenswerte Gehaltsverbesserungen seien nicht drin. Im Moment. Aber wenn die Firma sich so entwickelt wie geplant…

Es reichte. Carolin stieg in den Bewerbungsprozess ein, führte gute Gespräche, erhielt aus 6 Gesprächen drei Vertragsangebote. Ihren Gehaltswunsch – fast 20.000 Euro mehr pro Jahr – hatten wir mit Hilfe von aktuellen Gehaltsstudien definiert. Sie entschied sich für eines der Angebote, sagte dem Arbeitgeber zu, bat ihren Chef um einen Gesprächstermin.

Trennungsgespräch und ein Arbeitgeber, der Besserung gelobt

„Aus allen Wolken gefallen“ ist wohl die charmante Umschreibung, für den Schockzustand, in den sie ihren Vorgesetzten versetzte.

Wieso? Warum? So plötzlich? Ob sie sich klar sei, was sie anrichte? Nur vier Wochen Kündigungsfrist und 15 Tage Urlaubsanspruch? So schnell würde er nie einen Ersatz finden? Er hätte sie für loyaler gehalten… . Aber bitte, Reisende solle man nicht aufhalten. Einen schönen Tag noch. Abgang.

Einen Tag später bittet der Chef sie noch einmal zu einem Gespräch. Er sei gestern überrumpelt gewesen, habe sich nun aber etwas überlegt.

Und plötzlich ist alles möglich: Ein vernünftiges Gehalt, eine Vertretungsregel, die ihr die Möglichkeit bietet, tatsächlich auch einmal Urlaub zu machen, eine Zertifizierung. Carolin ist da kein Einzelfall: Mehr als die Hälfte der Führungskräfte versuchen den Mitarbeiter durch solche Beteuerungen zur Besserung zu halten.

Carolin kommt ins Schleudern. Die Aufgabe an sich macht ihr ja eigentlich Spaß. Hier kennt sie die Kunden. Wer weiß, ob es woanders besser läuft? Und ob sie überhaupt die Probezeit übersteht?

Ich bin gespannt, wie Carolin sich entscheidet. Ich vermute, sie bleibt. Richtig oder falsch? Das weiß man nie so ganz genau. Vielleicht war die Kündigung tatsächlich der Schuss vor den Bug, den ihr Chef brauchte, um diese enorm leistungsbereite, kompetente Mitarbeiterin zu halten.

Aber ich habe auch Bedenken und sehe Gefahren.

Wertschätzung durch das Messer auf der Brust

Klar, wenn Carolin – und damit all ihr Know-how – von Bord geht, bricht in dieser Firma das Chaos aus. Ihre Stelle neu zu besetzen, wird schwierig und langwierig. Es gibt wenige gute Bewerber im Markt, und die sind nicht leicht zu gewinnen, keinesfalls für das aktuelle Gehalt von Carolin. Teurer wird es also auf jeden Fall. Und wenn Carolin bliebe, erspart man sich den Bewerbungsprozess.

Dass ihre Loyalität bröckelt, hat sie mit dem Einreichen der Kündigung bereits gezeigt. Zunächst bekommt sie mehr Aufmerksamkeit, um sie zum Bleiben zu motivieren, klar. Aber was langfristiges Commitment betrifft, ist der Chef ab sofort noch vorsichtiger. Und wer weiß, vielleicht gewinnt er auch nur Zeit bei der Suche nach einem Ersatz, wenn er sie zunächst von der Rücknahme der Kündigung überzeugt.

Carolins Kündigungswunsch beruhte nicht auf dem Wunsch nach einer Gehaltserhöhung. Ihr fehlte die Wertschätzung. Welchen Grund hatte es, dass diese bisher ausblieb? Und ist die jetzt in Aussicht gestellte Verbesserung der Vergütung wirklich alles, was es braucht, damit sie sich in ihrer Arbeit gewürdigt fühlt?

Dass Ihr Chef jahrelang knausert und im Moment der Not den Geldhahn aufdreht, spricht doch auch für sich, oder?

Häufiges, aber leider nur kurzfristiges Trostpflaster

Der Personaldienstleister Robert Half hat im Rahmen einer Studie erhoben, dass 7 von 10 Personalverantwortlichen ein Gegenangebot unterbreiten. In mehr als der Hälfte der Fälle wird mehr Gehalt offeriert. Knapp 25% der Arbeitnehmer ziehen die Kündigung daraufhin zurück. Die meisten verlassen das Unternehmen dennoch – und zwar innerhalb von nur sechs Monaten! Weil es eben ein Unterschied ist, ob man Besserung beteuert oder lebt. Und weil es einen Grund hat, wenn man über Jahre stiefmütterlich mit den Bedürfnissen seiner wichtigsten Mitarbeiter umgeht.

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