Erfolgskriterien für internationale Zusammenarbeit oder wie kann ich meine interkulturelle Kompetenz steigern?

Globalisierung als Triebfeder für interkulturelle Missverständnisse

Durch die Globalisierung der Geschäftsaktivitäten steigt die Anzahl der Personen, die international tätig sind. Leider scheitern viele internationale Projekte und Geschäftsanbahnungen. Hierzu gibt es unterschiedliche Studien, die davon ausgehen, dass zwischen 60 bis 80 Prozent der Geschäftsanbahnungen und ca. 60 Prozent der internationalen Entsendungen scheitern. Ein wichtiger Grund für das Scheitern ist eine
mangelnde interkulturelle Vorbereitung und Kompetenz der Beteiligten. Daher stellt sich die Frage, was Sie tun können, damit die Erfolgswahrscheinlichkeit Ihrer internationalen Aktivitäten steigt und Sie internationale Kooperation kompetent bewältigen können.

Es kann ja durchaus verwirrend sein, wenn Sie beispielsweise mit einem chinesischen Kollegen eine Vereinbarung treffen. Der chinesische Kollege sagt „Ja“ zu dieser Vereinbarung und als Deutscher gehen Sie davon aus, dass die Vereinbarung umgesetzt wird. Wenn Sie mit den kulturellen Gepflogenheiten vor Ort noch nicht vertraut sind, dann wissen Sie wahrscheinlich nicht, dass es im Chinesischen kein „Nein“ gibt und das „Ja“ in dieser Situation eher heißt „Okay – ich habe verstanden, was Du gesagt hast.“ und nicht zwangsläufig „Ja, ich mache jetzt das, was wir vereinbart haben.“ Ungewöhnlich? Ja, aus Sicht eines Deutschen vielleicht, aber nicht aus Sicht eines Chinesen. Für beide Seiten ist ihr Verhalten „normal“. Aber was heißt schon normal und warum sind so unterschiedliche Verhaltensweisen für beide Seiten normal?

An dieser Stelle würde ich gerne kurz den Begriff der Kultur thematisieren.

Glas Globe auf die Fahnen

Was heißt eigentlich Kultur?

Hierbei folge ich der Definition von Geert Hofstede (Lokales Denken, Globales Handeln, München 2009), der Kultur als „mentale Programmierung“ beschreibt. Damit ist gemeint, dass die Kultur als Summe unserer Werte und Regeln unser Denken und Handeln sowohl im Privaten wie Beruflichen leitet. Mentale Programmierung heißt für mich, dass Verhalten wie eine bestimmte Software läuft. Das Gute daran, Programme sind veränderbar, wenn Sie sich bestimmte Dinge klar vor Augen führen. Werte und Regeln, wie zum Beispiel die Vorstellung von Gerechtigkeit, der Umgang mit Hierarchie oder Pünktlichkeit, sind uns in der Regel nicht bewusst, sie steuern aber trotzdem unser Verhalten und deshalb erleben wir diese Dinge als „normal“. Wenn wir als Deutsche nun auf ausländische Kolleginnen und Kollegen mit anderen Wertvorstellungen treffen, dann können interkulturelle Konflikte dadurch entstehen, dass wir das Handeln der anderen auf Grundlage unserer eigenen Vorstellungen bewerten. Die größte Gefahr besteht darin, dass wir Verhalten anderer, nur weil es anders und für uns auf den ersten Blick nicht verständlich ist, abwerten, und damit entsteht Zündstoff für interkulturelle Konflikte. Hier läuft dann ggf. folgende Kettenreaktion ab – anders ist nicht verständlich, löst unbehagliche Gefühle aus und muss schlechter sein als das eigene. Da Handlungs- und Verhaltensweisen wie beispielsweise Begrüßungsrituale, Kontaktaufnahme, Ansprache, Durchführung von Meetings, Umgang mit Hierarchie und Konflikten usw. kulturell sehr unterschiedlich sein können, kann es für uns, aber natürlich auch für die anderen irritierend sein, wenn ein ausländischer Kollege sich anders verhält als wir es im Rahmen unserer eigenen Kultur gewohnt sind. Für uns ist es in Deutschland schließlich „normal“, dass wir in der Regel pünktlich auf die Minute oder sogar schon ein bisschen vor Beginn einer Verabredung oder eines Meetings vor Ort sind. Genauso normal kann es aber für Vertreter einer anderen Kultur sein, pünktlich als „plus 15 Minuten“ zu definieren. Falls jemand zu spät kommt, erleben wir dies als unhöflich. Der andere ist sich keiner Schuld bewusst, denn für ihn sind 15 Minuten Verspätung bei einer Verabredung kulturell mehr als akzeptabel und er versteht gar nicht, warum die deutsche Seite so genervt reagiert. Für Russen ist es beispielsweise ein grober Fauxpas, wenn man sich bei Tisch laut die Nase schnäuzt. Für uns als Deutsche ist das – je nach Lautstärke – mehr oder weniger normal. Wenn wir in Russland unser deutsches Verhalten reproduzieren – was für uns normal ist – ist die andere Seite im wahrsten Sinne des Wortes verschnupft und irritiert.

Wenn ich auf meine eigenen Erfahrungen zurückblicke, bin ich selbst einige Male in das interkulturelle Messer gelaufen, obwohl ich mich mit dem Thema schon seit Langem beschäftige. An einen Fall kann ich mich gut erinnern: Eine russische Kollegin hatte mich administrativ bei der Betreuung der ausländischen Expatriates unterstützt und unsere Aufgabe war es, die Entsendungsverträge in lokale Verträge zu überführen. Obwohl ich die russische Kultur bereits relativ gut kannte, bin ich davon ausgegangen, dass die Kollegin Expertin für russisches Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht ist und vor allem diese Expertise auch einbringt. Aber weit gefehlt: Die Expertise war zwar da, allerdings hat sie mich als Vertreter aus der Zentrale als in der Hierachie höher stehend gesehen. Ich erinnere mich gut an ein Statement „Ich bin nur der Administrator und mach, was Du mir sagst.“ Aus Sicht der russischen Kultur ein völlig normales Verhalten und für mich als Deutschen mit meiner kulturellen Brille betrachtet unverständlich. Warum brachte sich die russische Kollegin nicht aktiver ein? Sie war ja die Expertin vor Ort. Ein zweites Beispiel war eine Befragung im Rahmen von Employer Branding, um zu verstehen, was ein Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv macht. Im Deutschen haben wir in der Umfrage das Adjektiv „sexy“ genutzt. Bei der Übersetzung ins Amerikanische haben wir das gleiche Wort genutzt und waren sehr überrascht, als sich einige amerikanische Kollegen über das Wort „sexy“ in einem dienstlichen Zusammenhang echauffiert haben.

Steigerung Ihrer eigenen interkulturellen Kompetenz

Es stellt sich daher die Frage, was wir tun können, um mit interkulturellen Unterschieden so umzugehen, dass die internationale Zusammenarbeit möglichst wenig gestört wird. Ein erster Schritt besteht darin, mehr Verständnis für die eigene kulturelle Prägung zu erlangen. Dies kann über Lektüre geschehen. Eine andere aus meiner Sicht spannende Quelle für die Auseinandersetzung mit unserer deutschen Kultur sind Comedians mit Migrationshintergrund. Eine Empfehlung ist die russische Liedermacherin „Lisa Koz“, die uns in einer sehr charmanten und politisch nicht-korrekten Art und Weise den Spiegel vorhält. Auf YouTube finden Sie zum Beispiel Lisas „Liebeserklärung an Deutschland“. Im nächsten Schritt ist es wichtig, dass Sie sich mit den kulturellen Besonderheiten der Zielkultur vertraut machen. Auf der Website des Geert Hofstede Instituts gibt es in der Rubrik „Tools“ einen Ländervergleich „Compare Countries“. Hier können Sie Dimensionen der deutschen Kultur mit einer Zielkultur vergleichen und bekommen erste Hinweise, in welchen Bereichen es interkulturelle Unterschiede gibt. Vertiefend macht es natürlich Sinn, sich mit einem Land und dessen Historie vertiefend auseinanderzusetzen. Hier gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die interkulturelle Trainings durchführen. Aus meiner Erfahrung hat sich gezeigt, dass es vor Ort als wertschätzend empfunden wird, wenn ich als Deutscher zumindest die wichtigsten Redewendungen für die Begrüßung in der Landessprache beherrsche. In internationalen Konzernen können Sie darüber hinaus das Know-how Ihrer Kolleginnen und Kollegen für sich nutzbar machen. Wer als Expatriat im Ausland Erfahrungen gesammelt hat, ist sicherlich ein guter Mentor bzw. Berater für ein bestimmtes Land und hat darüber hinaus noch Erfahrungen mit der Firmenkultur im Ausland gesammelt. Diese Personengruppe ist sicherlich gerne bereit, ihr Wissen zu teilen. Für den Fall, dass es zu Missverständnissen kommt, macht es Sinn, mit den beteiligten internationalen Kollegen das Gespräch zu suchen und zu verstehen, welche Absicht eine bestimmte Handlung oder Verhaltensweise hat. In einem solchen Austausch können beide Seiten voneinander lernen und erweitern ihren Horizont über interkulturelle Besonderheiten.

Falls Sie noch über wenig oder keine Erfahrung im Ausland verfügen und Sie sich für internationale Zusammenarbeit interessieren, empfehle ich Ihnen, sich für Ihren Einsatz in internationalen Projekten oder für einen Auslandseinsatz bei Ihrem Arbeitgeber bzw. Ihrer Führungskraft zu empfehlen. In der Frankfurter Allgemeinen gibt es ein unterhaltsames Karriere-Quiz, in dem Sie Ihre Reife für eine internationale Karriere spielerisch überprüfen können.

Die richtige Haltung als wichtigster Erfolgsfaktor für die internationale Zusammenarbeit

Grundsätzlich ist aus meiner Erfahrung die innere Haltung entscheidend, ob internationale Zusammenarbeit mit Erfolg gekrönt wird. Sind Sie und Ihre internationalen Partner in der Lage, mit Neugier und Offenheit aufeinander zuzugehen? Falls ja, dann steigt die Chance für internationalen Erfolg. Wenn Sie und/oder Ihre internationalen Kollegen allerdings dazu neigen, Fremdes entweder gleich zu machen im Sinne von „So groß werden die kulturellen Unterschiede schon nicht sein“ oder abzuwerten, dann sollten Sie Ihre Haltung überprüfen bzw. mit den Beteiligten ins Gespräch gehen. In diesem Sinne ist mein Blog auch ein Plädoyer für mehr Neugier, Offenheit und Toleranz. Und zu guter Letzt noch eine Empfehlung: Gehen Sie als Deutsche oder Deutscher behutsam auf andere zu. Denn unsere sehr direkte Art der Kommunikation kommt in vielen Ländern als sehr unhöflich rüber. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele interessante und erfolgreiche internationale Begegnungen.

 


Persönliches Frank Gieth72dpi_016_quadrat

Frank Gieth ist im Bereich internationale Führungskräfteentwicklung als Business Coach, Trainer und Berater tätig. Sein Leistungsangebot finden Sie unter www.frank-gieth.com. Er hat knapp 20 Jahre Berufserfahrung in der internationalen Personal- und Führungskräfteentwicklung, dabei verbindet er Erfahrungen aus diversen HR-Rollen innerhalb eines DAX-30-Konzerns mit der Beratungspraxis für internationale Unternehmen. Seine interkulturelle Kompetenz hat er durch internationale Assignments in Russland und der Slowakei sowie der Steuerung von internationalen HR-Projekten und der Begleitung internationaler Teilnehmer aus mittlerweile über 20 Ländern im Rahmen von Trainings und eignungsdiagnostischer Verfahren schärfen können.

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